Wer dieser Tage beim schwedischen google den Begriff Tyskan eingibt, der übrigens auf Deutsch nichts anderes heißt als „der Deutsche/die Deutsche“, der wird nicht etwa mit einem Wikipediaartikel belohnt, ganz und gar nicht, im Gegenteil, die Hauptfigur eines Kriminalfalles, der sich im März dieses Jahres in der Stadt Arboga abspielte, taucht auf >>> den ersten Rängen auf – Tyskan. Also auf gut Deutsch: „Die Deutsche“. Hauptverdächtige in dem Kriminafall, bei welchem zwei Kinder ihr Leben ließen, ist nämlich eine Deutsche. In deutschen Medien wurde über diesen Fall eher >>> weniger berichtet, wohl konnte man aber zur Kenntnis nehmen, daß jene Verdächtige über den Flughafen Skavsta nach Deutschland flüchtete, letzten Endes jedoch wieder nach Schweden ausgeliefert wurde. Es soll hierbei aber auch gar nicht darum gehen, daß eine Deutsche eventuell als Mörderin vor den hiesigen Gerichten hier in Schweden steht. Nein, vielmehr kommt man sich hier inzwischen durch die Medien deklassiert vor. Dieses Gefühl weckt sich im übrigen nicht nur bei mir, vielmehr war es Barbara aus der Haupstadt, die mich vor einem halben Jahr darauf hinwies, daß es in den Medien immer nur heißt: „Tyskan …“.
Und so vergeht hier in Schweden nicht ein Tag in der Presse, an welchem nicht irgendwo der Begriff Tyskan auftaucht. Ich selber übersetze das für mich schon gar nicht mehr als einen Begriff für einen Menschen, der eben deutscher Nationalität ist, vielmehr assoziiere ich bei Tyskan eigentlich nur noch die eine Deutsche, die ein Verbrechen begangen haben soll – was, nach einhelliger Rechtsauffassung in beiden Staaten, noch längst nicht bewiesen ist. Denn gibt es keinen einzigen physischen Beweis, daß gerade „Tyskan“ das Verbrechen begangen hat. Eine jüngst ergangene Verurteilung zu lebenslänglich wurde angefochten, man räumt dieser Anfechtung gute Chancen ein. Dennoch hat es sich wohl die schwedische Presse zum Ziel gesetzt, Tyskan zumindest journalistisch den Garaus zu machen. Ihr vollständiger Name wird inzwischen frei publiziert, dennoch verzichtet man in reißerischen Überschriften nicht darauf, >>> Tyskan als zentralen Aufhänger zu nehmen, selbst seriöse Medien wie >>> Dagens Nyheter springen auf diesen Zug auf. So steht dann also in der Zeitung, daß „die Deutsche“ in Revision geht, „die Deutsche“ im Gerichtssaal weint, „die Deutsche“ ihre Unschuld beteuert, „die Deutsche“ sich in der Nähe des Platzes des Verbrechens befand, „die Deutsche“ geflüchet ist und „die Deutsche“ im Arbogamassaker.
Selbst in Blogs spricht man nur noch über „die Deutsche“, in einem fand ich mehr als zehn Artikel, in denen die Überschrift wunderbar hetzend, anders empfinde ich das schon gar nicht mehr, mit „die Deutsche“ aufwartet – so z.B.
>>> in Bezug auf ihre Auslieferung nach Schweden,
>>> daß die Deutsche keine fremde DNA unter ihren Nägeln hätte,
>>> daß die Deutsche sprach (im Gerichtssaal),
>>> daß die Deutsche lügt,
>>> die Deutsche und die Gerechtigkeit.
Ich habe es mir übrigens erspart, in den eigentlichen Artikeln die Anzahl TYSKAN zu zählen.
Es ist doch erstaunlich, obschon die Schweden als friedfertig, zivilisiert und offen gelten, wie schnell, ob nun bewußt oder unbewußt, eine wahre Kampagne aufgefahren wird. Ich frage mich, was die Schweden denkten, sprächen wir in deutschen Medien (mir ist es so bisher nicht begegnet) nicht mehr von einem Tatverdächtigen schwedischer Herkunft (oder so ähnlich), sonder immer nur noch vom Schweden. Also in jeder Überschrift dick und fett: DER SCHWEDE. Von mir aus auch DIE SCHWEDIN. Und dann im laufenden Artikel noch mindestens drei Mal hinterher: DER SCHWEDE lügt, DIE SCHWEDIN weint, DER SCHWEDE legte Berufung ein. Ich kann mir nicht vorstellen, es stieße hier auf Gegenliebe. Kriegten die Schweden nicht den Eindruck, ihre Nationalität stünde bei einer solch massiven Verwendung des Begriffes DER SCHWEDE/DIE SCHWEDIN gleich mit dem vor dem Richter? Als seien es nur DER SCHWEDE und DIE SCHWEDIN, die zu einem Verbrechen an Kindern fähig wären?
Es ist immer wieder erstaunlich, was Sprache alles auslösen kann, vor allem wenn man seine eigene Nationalität jeden Tag in der Zeitung am Pranger stehen sieht. Und die Schweden bemerken das nicht einmal, selbst wenn man sie darauf anspricht und meint, ob dies nicht leicht übertrieben wäre – das tägliche TYSKAN, TYSKAN, TYSKAN.