Ungewöhnlich, vor allem wenn man bedenkt, daß dies zukünftig in Schweden beim Bahnfahren gilt! Denn fast heimlich still und leise hat die schwedische Zuggesellschaft >>> SJ, die größte in unserem Lande, den persönlichen Fahrschein eingeführt, vorgestern genau genommen. Recht befremdlich wirkt dies, argumentiert SJ in ihrer >>> Mitteilung, daß ein persönlicher Fahrschein ja auch bei Schiffs- oder Flugreisen üblich sei, man täte also eigentlich nur das, was alle anderen auch machten. Verschwiegen allerdings wird in dieser Angelegenheit ganz einfach, daß nationale Schiffsreisen hiervon selbstverständlich ausgeschlossen sind – ich brauche in Stockholm beim Übersetzen von Slussen nach Djurgården natürlich nicht mit meinem Reisepaß winken – , der Vergleich zwischen Zug und Flug (sei es auch ein nationaler) hinkt schon deswegen, weil Züge eine ganz andere, vor allem hinsichtlich notwendiger Sicherheitsstandards, Infrastruktur zur Durchführung des Betriebes nutzen. Ein anderes Argument von SJ ist zudem, daß man mit der Einführung des persönlichen Fahrscheines, der mit einem Personaldokument beim Zugpersonal vorgezeigt werden muß, dem Schwarzhandel von Schnäppchenfahrausweisen vorbeugen will. Stimmen Name auf dem Fahrschein und dem Personaldokument nicht überein bzw. hat man eben ein solches Dokument nicht in der Hand, darf man sich als glücklicher Schwarzfahrer schätzen und, insoweit es das Gebaren von SJ hergibt, den Zug verlassen. Weiterhin argumentiert SJ mit der Servicekeule, man könne durch die neue Regel den Kunden leichter über Veränderungen bei der Reise unterrichten. Dies allerdings ist aus meiner eigenen Erfahrung nicht nur Mumpitz, sondern glatt gelogen. Da ich am Bonusprogramm von SJ teilnehme, haben sie aber auch wirklich alles in Sachen Kommunikationsmittel von mir, was aber nicht verhindert, daß gebuchte Züge nicht fahren bzw. deren Fahrzeiten massiv geändert wurden, die Erlangung der Kenntnis hierüber aber nicht durch SJ erfolgte, sondern erst am Bahnhof durch „Frontalunterricht“ mir gegenüber.
Es ist bedauerlich, daß das Bahnfahren in Schweden durch dieses Vorgehen der Gesellschaft enorm erschwert wird. Einfach mal kurz mit dem IC von Falun nach Borlänge zu fahren, kann eine Tortour werden, hat meinen seinen Reisepaß einfach zu Hause liegen gelassen, wir reden hier übrigens von 25 km. Zudem stellt sich der schale Beigeschmack einer wie auch immer gearteten Überwachung ein. Denn natürlich erfahren die elektronischen Systeme, was der Passagier XY gebucht hat, wohin er gebucht hat, der Passagier kann aber in keiner Weise nachvollziehen, was genau mit seinen Daten passiert, auch wenn SJ versichert, die Daten würden nach einem Monat gelöscht. Wer das aber überprüfen soll und wird, bleibt im Moment ein Rätsel.
Der Aufschrei unter den Reisenden ist derweil mächtig, SJ bläst ein harter Wind entgegen. So schreiben aufgebrachte Leser beim >>> Svenska Dagbladet von einer „totalen Überwachung“, sowas hätte es nicht mal in einer kommunistischen Diktatur gegeben, also die Kontrolle über das Reisen des Volkes (im eigenen Lande). SJ allerdings stellt ganz nüchtern fest, daß derjenige, der nicht sein Personaldokument vorzeigt, die Beförderungsbedingungen nicht erfüllen würde und dann auszusteigen hätte.
Ich selber habe im Moment noch keine richtige Meinung zu diesem Vorgang, denn aufregen kann ich mich nicht, mein Name steht schon seit Jahren auf den Fahrscheinen, durch das Punkteprogramm, auch wenn ich bisher nie meinen Paß vorzeigen mußte. Zu befürchten ist aber sicherlich, daß auch bei mir hier und da ein komisches Gefühl entstehen wird, wenn ich nun neuerdings auch noch nachweisen muß, daß ich derjenige bin, der ich zu sein scheine, laut Fahrschein. Ob das nun als flexibel und angenehm betrachtet werden, bleibt dem Leser, dem Reisenden und schließlich mir überlassen. Ich werde einfach aus der Praxis berichten, der nächste Zug zum Flug kommt bestimmt …