Ja, ich bin ein Füllerkind!

Und auch wenn man es nicht glauben mag, derzeit leide ich unerwartet heftig darunter. Die Deutschen sollten das ja kennen, Klasse 1, die Fibel unter dem Arm, frohen Mutes in der Schule, begierig, endlich das Schreiben zu erlernen. Und wie macht man das gewöhnlich?

Richtig, mit einem Füllfederhalter, kurz Füller genannt – Strich für Strich, Kurve für Kurve, Punkt für Punk. Meiner einer ist seit dem nie wieder vom Füller losgekommen, NIE WIEDER. Was also heißen soll: ich schreibe bis heute mit einem solchen Teil, und das ganz gerne, recht viel und immer noch frohen Mutes. Tja, hätte ich meine Federtasche nicht in Berlin während des Sommers irgendwo in der Wohnung um die Ecke gebracht. Dann säße ich nun nicht hier und leidete. Denn, man versteht es kaum, die Schweden sind eine füllerlose Gesellschaft. Die Kinder in der Schule schreiben durchweg mit Bleistift, nur bei Klassenarbeiten am Gymnasium bzw. an der Uni ist ein Kugelschreiber empfohlen. Die Erwachsenen pendeln recht heftig, also zwischen Bleistiften und Kulis, meine Reflexionen kriege ich aber durch die Bank weg mit Kommentaren zurück, die das Licht der Welt durch einen Bleistift erblickten. Ergo: einen Füller braucht man in Schweden eigentlich niemals. Was wiederum zur Folge hat, daß es keinen Markt für Füller gibt. Das erkennt man schon daran, daß vier stinknormale Tintenpatronen 20,00 Kronen kosten, was, es zieht einem die Schuhe aus, ungefähr 2,10 Euro entspricht. Heftiger, noch viel heftiger, fällt allerdings das Schuhausziehen aus, geht man in Falun in die Läden und sucht nach einem solchen Schreibgerät. Die hiesigen Shopping-Malls, nennen wir es einfach Einkaufsstraßen, sind da eine völlig falsche Adresse, das Personal in den Läden brachte ich zur Verzweiflung, als ich ihnen erklärte, daß ich keinen Kuli, Fineliner, Rollerball, Gelschreiber oder ähnliches bräuchte, sondern einen einfachen, ganz schnöden Füller. Selbst Geschäfte mit Schreibwarenbedarf waren bei meinem Begehren völlig überlastet. Irgendwann, in einem Buchladen, fand sich dann ein sehr überschaubares Angebot an Füllern, jedoch war deren Aufmachung und Preis nicht ganz alltagstauglich – Edelteile für fünfzig, sechzig Euro. So sieht das aus. In Falun ist kein einfacher Füller aufzutreiben, der meiner Schrift Glanz verleiht. Und damit war es das für mich. Also daß ich hier vielleicht nicht bayrische Lederhosen bekäme, freilich, damit rechnet man. Daß ich hier nach Spritzkuchen vergeblich suchen sollte, gekauft. Aber ein schnöder Füller? Selbst das Internet kann da nicht weiterhelfen, außer mit Sammlerobjekten und einigen, welche die Hälfte eines Tabbis kosten. Die Schweden selber sind ganz baff über mein Problem, nachvollziehen können sie es schon gar nicht. Deswegen verweigere ich mich im Moment auch zur Gänze der Schreiberei – nur in der Schule krakel ich hier und da mal was an die Tafel.

Und da sieht man einmal mehr: Deutschland ist eben nicht Schweden. Verwirrend, daß in einer Kultur, die nicht mal tausend Kilometer entfernt ist, die angehenden Schreiberlinge mit einem Füller auf Schönschrift trainiert werden, hingegen die andere Kultur die Schrift jener gleich im Kindesalter versaut, dürfen sie mit Kuli und Co. das Schreiben erlernen. Gerecht ist dies in keinem Falle, denn, nun warte ich sehnsüchtig auf eine Sendung aus Deutschland, Schwesterherz Steffi erbarmt sich meiner und schickt mir ein neues Schreibgerät, zum anderen werde ich wohl als patronenabhängiges Füllerkind meine Schreibflüssigkeit weiterhin importieren müssen, die Patronen, die Anfang 2005 mit mir ihren Weg nach Schweden fanden, gehen zur Neige. Und 2,20 Euro für vier Patronen aus Deutschland in einem Faluner Schreibgeschäft? Da müßte mich ja ein Elch geknutscht haben. Herrje, soviel also mal wieder zu interkulturellen Problemen, die man so als Nichtschwede haben kann. Und zur Erkenntnis: nicht nur das Bier ist teuer, nein, auch die Tinte. Wobei, wenn ich das mal auf den Literpreis hochrechne, sollte Tinte exorbitant teurer als Bier sein. Also müßte es heißen: Bier ist teuer, Tinte unbezahlbar. Mahlzeit.

4 Gedanken zu „Ja, ich bin ein Füllerkind!“

  1. Jaaaa, solch Gewaltausbrüche gegenüber dem Füller kenne ich auch noch … herrje! Aber nun sind wa ja schon älter (wenn nicht sogar schon richtig alt :mrgreen: ) und sollten das unter Kontrolle haben!

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  2. :mrgreen:
    Das waren ja noch Zeiten, als ich mit meinem blauen Pelikan-Füller schrieb und vor Wut über unlösbare Hausaufgaben zu doll aufdrückte und der Füller hin war. 😳 Nun ist meine Schrift durch Kugelschreiber eh versaut, also lasse ich das lieber. 😉
    Gruß J.

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