[Berliner] Telegramm Nr. 2

Ich habe am Mittwoch den freien Tag in Berlin genutzt, um noch ein bißchen zu arbeiten, online. Der Technik sei Dank, ich kann die Prüfungen meiner Schützlinge auch im Netz überprüfen. Und über den fächereigenen Blog die Hausaufgaben erklären.

Dabei läuft der Fernseher, zur Berieselung. Zum Verdrängen der Stille im Raume, hilfsweise des Lärmes von der Frankfurter Allee.

An diesen Arbeitsstunden knabbere ich bis heute, es läuft Kino im Kopf, Reflexionen. Ich habe doch nur den Einschaltknopf gedrückt, keinen Sender gewählt.

Die Wahl des Senders, sie war mir nicht bewußt. Aber es war das Böse – RTL II. Es schüttelt mich. Es hallen Fetzen im Hirne, auditives Lernen? Oder Abgesang auf die deutsche Fernsehkultur? Wo war eigentlich Arte?

Das Programm, recherchiert:

  • Frauentausch, Folge 141 (die Katze entleert sich zur Gänze auf dem Teppich, irgendeine Tauschmami will nicht aufwischen, die andere Tauschmutti gibt die Ratgeberin in Sachen Sex, irgendwie sind alle Penner und Schweine, Frauenkampf auf halber Stecke, ernste Gespräche nach der Rückkehr, die Tauschmami wird in die Hölle gewünscht)
  • Family Stories, Folge 79 (vorgeschriebene Doku?, Kampfhunde, Stasi, der Herd wurde nicht gekauft, der Ossi als Ungeheuer, der Wessi als Ungeheuer, das Leben ist Mist, Männer an die Werkbank, Frauen an den Herd, Schreie, Verzweiflung, Grammtikabfahrt, fantastische Eheaussichten)
  • Kaffeepause
  • Hilf mir! Jung, pleite, verzweifelt …, Folge 129 (Hart-IV [sic!], Medikamente, Sparbücher, Dialogsalat, Schlafen – neudeutsch auch: Fremdschlafen, Hysterie, Brechreiz, große Liebe, Familientragödie)
  • Hilf mir! Jung, pleite, verzweifelt …, Folge 38 (Adoption, die Grammatik landet wieder auf dem Misthaufen, der Duktus sowieso, Diplom-Psychologin Ina Hullmann hat keinen Fahrplan, alles schreit und heult, Schubladenöffnen, Schubladenschüffeln, roter Lippenstift)

Verdrängt. Ausgerechnet die Körperteile und das Perfekt waren es, die korrigiert wurden, Prüfungen.

Wie reagierte das Hirn, wäre man nicht abgelenkt? Wenn super süßes Kätzchen kackt und kotzt und Tauschmutti streikt? Wenn der Ossi mit der Stasimanier Hundehalter über den Kamm zieht, natürlich leicht sächsisch angehaucht? Wenn Frauen Nervenzusammenbrüche kriegen, weil der elendige, faule Sack von Ehemann keinen neuen Herd beschafft? Wenn eine Diplom-Psychologin apathisch in die Kamera guckt, die Augen rollend, der Zuschauer Visionen kriegend!?!

Ich würde mich derzeitig gerne einbuddeln. Wo war Arte?

Der Kick vor meinem Rückflug, in der Vorschau: Traumfrau gesucht – Hilfe, Walther wird liebestoll!

Ich bitte doch darum, das erspart mir mein Bier im Flieger!

0,0020 mal [immerhin].

Heimlich still und leise habe ich am Dienstag eine kleine Premiere gefeiert, hoch oben in bayrischen Lüften. Jedoch nicht in der Art und Weise, wie ich mir das vorgestellt hatte: mit einem kleinen Biere in der Hand und einem breiten Grinsen im Gesicht.

Daß alles anders sein sollte, hätte mir sicherlich aber schon auf dem Flug von Stockholm nach München klar sein müssen. Bis zur deutschen Küste konnte der Flug genossen worden, ab Ahlbeck war dann aber Schluß mit lustig – Gewitter unter uns, neben uns und teilweise sogar über uns. Wir hüpften und schlingerten gen München, allerdings kämpfte das Personal mutig gegen die Kräfte der Natur an. Schade, daß der Mensch nur zwei Hände und nicht praktische drei hat: eine für die Flasche, eine für den Sandwich und eine für den Getränkebecher. Ich habe über Neubrandenburg die Getränke gerettet, der Sandwich hat seine eigenen Flugversuche unternommen. Es durften die Toilettenräume benutzt werden. Staufächerentlanghangeln wurde eine allseits beliebte Beschäftigung während des Fluges. Hier und da blinkten die Anschnallzeichen entweder hektisch auf oder erloschen sang- und klanglos.

Flug zwei von München nach Berlin war dagegen völlig unproduktiv. Staufächerentlanghangeln war verboten, den Anschnallzeichen wurde ein eigenes Leben verwehrt, sie leuchteten stoisch während des gesamten Fluges. Meine Hände hatten nichts zum Festhalten (die Armlehnen, ab und zu). Der Himmel zuckte während des gesamten Fluges hysterisch vor sich hin. Und dabei wollte ich doch ein bißchen feiern. Der Pilot meldete sich aus dem Cockpit, bat um Entschuldigung, schließlich würde es den gewohnten Lufthansa-Service diesmal nicht geben, man wolle einfach sicherstellen, daß die Kabinenbesatzung nicht zum Abflug ansetzte, in dieser Situation völlig verständlich. Ich hätte nicht einmal gewagt, die Waschräume aufzusuchen. Daß wir zur Vermeidung von Gewittern Slalom fliegen würden, so die Aussage des Piloten, machte eigentlich auch nichts mehr.

LH2054 12.05.2015
LH2054 12.05.2015, ein bißchen Slalom über Tschechien.
Bildschirmausschnitt: >>> flightradar24.com

Immerhin, angesichts der unterschiedlichen Bewertungen der Situation durch meine Mitreisenden, man brauchte hierfür nur in ihre Gesichter gucken, konnte ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen, jedoch versuchte ich es zuweilen, der eigenen Sicherheit halber, hinter der Zeitung zu verstecken. Dies gelang leider nicht immer, Lesen und Zeitungfesthalten ging also auch nicht so recht.

So habe ich also meinen 300. Flug zwar ohne Feierabendbier begangen, durchaus aber auch ein bißchen Spaß gehabt. Selbst die Landung in Berlin war diesmal eine Abwechslung, immerhin stellten zwei Kinder eine Reihe vor mir fest, daß wir angesichts der Turbulenzen wohl bald abstürzen respektive auf dem Bahnhof von Pankow landen würden. Das nenne ich vorausschauendes Fliegen.

Um mit dem erfolgreichen Abschluß dieses Fluges habe ich die Erde 7,59 mal umflogen, den Mond 0,791 mal und die Sonne 0,0020 mal erreicht und dabei 17 Länder besucht und fast drei Wochen meines Lebens in der Luft verbracht.

Flugstatistik Seite 1Flugstatistik Seite 2
Ein bißchen Statistik. Zum Vergrößern ins Bild klicken.
Erfaßt durch >>> flugstatistik.de

Ob ich irgendwann einmal vom Fliegen die Faxen dicke habe?

[Stockholmer] Telegramm 20

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Nein, Schweden steht noch. Und trotz einer partiellen Sonnenfinsternis (was auf Schwedisch partiell solförmörkelse heißt, habe ich zumindest gelernt) ging auch bei uns das Leben weiter. Zwar waren meine Schüler im Fach Deutsch der Klasse sieben gestern der Meinung, alle 5 Minuten zum Fenster huschen zu müssen (während wir „Türkisch für Anfänger“ guckten), allerdings bin ich diesmal über meinen eigenen Schatten gesprungen und habe angesichts der historischen Bedeutung für die Schüler Gnade walten lassen. Ich erinnerte mich an meine eigene, erste richtige Sonnenfinsternis 1999 und beschloß, den Schülern dieses Erlebnis partiell zu Gute kommen zu lassen. Viel Glück hatten wir leider aber alle nicht, weder der Herr Lehrer noch die Schüler, dicke Wolken ließen ein ungetrübtes Erlebnis einfach nicht zu. Dennoch war ein schemenhaftes Bild durch die Wolken erkennbar, und eine Stunde später als in Berlin war zumindest die rechte Hälfte der Sonne, leicht nach unten geneigt, bedeckt. Und immerhin: die Schüler sind nach einer Stunde Unterricht aus dem Klassenzimmer hinaus und haben das Wort „Sonnenfinsternis“ fröhlich vor sich hergeträllert. Was irgendwie auf mich zurückfiel. Wie immer.

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Nach fast schon sommerlichen Temperaturen ist der Winter zurück, eventuell auch nur partiell. Ich kann das nicht beurteilen, der Wetterdienst ist sich noch nicht einig, ob der heute Nacht gefallene Schnee uns weiterhin beehren soll oder gänzlich wieder verschwindet. Ich nehme an, daß meine Kollegen in der Schule mich am Montag dafür verantwortlich machen. Schließlich hatte ich sie ja vorgewarnt: Der Winter ist nicht vorbei!

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Ich habe vor zwei Wochen einen Kulturschock erlitten, als ich nichts ahnend auf den Webseiten des staatlichen Fernsehens nach einer Dokumentation suchte. Ich fand auch etwas zum Angucken, war aber geneigt, augenblicklich meine Koffer zu packen und gen Deutschland zu ziehen. Denn in Schweden liefen die Vorentscheidungen zum diesjährigen Eurovision Song Contest, und das wird in Schweden ja bekanntlich hysterisch-frenetisch begangen. Ich weiß gar nicht, wie viele Entscheidungssendungen und Zweite-Chance-Shows es gibt, aber daß ein Beitrag mit der Botschaft „Wir machen ein Groupie“ (und nicht ein Selfie, wie man auf Neudeutsch für ein selbst aufgenommenes Foto sagt) eventuell nach Wien weiterbefördert werden könnte, hat mir dann doch die Schuhe ausgezogen:

Irgendwie erinnerte mich der ganze Auftritt an Zlatko. Egal, der Beitrag ist Gott sei Dank im Finale am letzten Wochenende gnadenlos untergegangen und hatte keinerlei Chancen, Wien auch nur nahe zu kommen. Ich gebe an dieser Stelle zu, daß ich das Finale zumindest im Internet mitverfolgt habe. Und Schweden hat nun einen Beitrag, der für Frieden in den Schlagerdiskotheken des Landes sorgen sollte, auch wenn die Kritiken nicht abreißen, Teile wären abgeschrieben bzw. einem anderen international bekannten Song verdammt ähnlich. Aber das kann man dann ja notfalls den Anwälten überlassen! Wodurch sich allerdings das schwedische Staatsfernsehen hervorgetan hat, und dies wurde auch in Deutschland thematisiert, ist die Tatsache, daß die Finalsendung live in Gebärdensprache übersetzt wurde, und das nicht nur im Internetstream sondern auch auf dem Sender SVT24, dem Nachrichtensender des staatlichen Fernsehens. Tommy Krångh und sein gesamtes Team wurden in Schweden für ihren Einsatz während der Sendung hoch gelobt und waren tagelang Thema in den schwedischen Medien. Ein kleiner Eindruck gefällig? Das Siegerlied Schwedens mit Gebärdensprache:

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Es steht in Kürze wieder ein Ausflug gen Norddeutschland an! Der >>> 4. Föhr-Marathon hat am nächsten Wochenende einen großen Platz in meinem Kalender. Ich hoffe nur inständig, daß das Wetter mitspielt: ohne Winter, aber mit ein bißchen Wind. Im Moment sieht es nach Sonne und blauem Himmel aus. Und ausnahmsweise nehme ich mir einen Tag frei, was die Schüler mit Applaus zur Kenntnis genommen haben. Ich mußte mir in den letzten Wochen oft anhören: „Renke, wann wirst Du endlich mal krank? Wir hatten noch nie eine Freistunde in Deutsch!“

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Wir warten also auf den Frühling!

Schnee an, Schnee aus
resp.
[Stockholmer] Telegramm 19

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Der Winter ist in den nördlichen Gefilden völlig aus dem Ruder gelaufen. Hatten wir direkt nach meiner Ankunft aus Mexiko fast frühlingshafte Temperaturen, wurde es in der Mitte des Januars richtig kalt, bedauerlicherweise ohne Schnee. Dies änderte sich Anfang Februar schlagartig, ein Schneesturm jagte den nächsten und hinterließ endlich Berge von Schnee; mit der einen oder anderen Nebenwirkung. So brach der Stockholmer Nahverkehr wieder zusammen, oh Wunder, eine Schneeflocke knallte auf den Boden. Und seit dem pendeln wir zwischen schneefreundlichen und schneefeindlichen Celsiusgraden. Entweder kämpft man sich durch Schneeberge über den Fußgängerweg oder man watet wortwörtlich durch den Zebrastreifen, da die ganze weiße Pracht nur mit Unterbrechungen zu bleiben wünscht. Und nun? Mitten im tiefsten Winter sendet die Sonne ihren Todesstoß gen Boden, vier Grad über null, Helligkeit. Frühling?

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Ich mußte Anfang der Woche in einen neuen Teil der Schule in Märsta umziehen. Um dann festzustellen: kein Internet. Irgendeiner in der Kommune hatte sich vor der Renovierung dieses Schulteils dafür entschieden, das Internetkabel zu kappen. Was an sich ja eigentlich keine große Affäre wäre, allerdings sind wir eine sog. En-till-en-skola. Und das meint eigentlich nur, daß alle Schüler einen tragbaren Computer haben und die Lehrer die neue Informationstechnologie in den Unterricht einbauen sollen. „Treudoof“ habe ich meinen Unterricht für die nächsten Wochen auf diese Art und Weise geplant, berechneter Wiederanschluß an das Internet: vielleicht im August. Könnte aber auch Oktober werden. Adieu, geliebte Unterrichtsplanung, und zurück zu den Büchern. Zu dieser Situation fiel mir natürlich gleich ein passender Vergleich ein: Als würde ein Pilot während des Startlaufes auf der Landebahn kurz vor dem Abheben die Motoren abstellen …

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Ich haben den letzten Ausflug Ende Januar/Anfang Februar gen Berlin für kreative Unterstützung genutzt, meine Schwester traut sich nun endlich mit ihrem Talent auch in das weltweite Netz. Zeit wurde es, und nun darf man kräftig die Daumen drücken. Eine kleine Probe gefällig?

© www.venb.de
© www.venb.de

Mehr davon auf ihrer Webseite >>> VenB.de

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Die Winterferien rücken in greifbare Nähe … Durchhalten!

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Ich will auf die Ö!