O du fröhliche
[der Weg ist das Ziel]

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Es wäre ein Wunder gewesen, hätte Weihnachten sich so ganz ohne Abweichungen von der Norm angenähert …

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Vor dem Schulabschluß am Freitag habe ich am Donnerstag noch schnell meine Bankkarte um die Ecke gebracht, paßt wunderbar so zeitnah zu den Feiertagen. Zudem mußte der Mike am Mittwoch eingeschläfert werden, das Fest wäre wohl sonst eine Qual für ihn geworden.

Mike

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Ich mußte am Sa auf dem Stockholmer Flughafen einen Weihnachtsmann in weißen Nike-Turnschuhen erspähen. Angesichts dessen, daß mein Flieger 40 Minuten zu spät war, wollte ich ihn darauf hinweisen. Ich kam nicht dazu, er wurde von einer Großfamilie überfahren, der Kofferkuli war es.

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Beim Anflug auf München rechnete ich meine verbleibende Umsteigezeit zum Flieger nach Berlin aus, die eingeplanten 50 Minuten waren inzwischen auf 15 geschmolzen. Ich begann mir Sorgen um meinen Koffer zu machen.

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Ich stehe in Berlin Tegel an der Gepäckausgabe und kann durch das Fenster den Mitarbeitern beim Gepäckausladen zugucken. Meinen Koffer sehe ich nicht. Viola und Kalle, die mich abholen wollen, gebe ich zu verstehen, daß ich es nicht lustig finde. Zudem befrage ich einen Mitarbeiter, der einen Kinderwagen per Hand zur Ausgabe bringt, ob denn nun alles aus München ausgeladen sei. Er bestätigt dies. Ich sehe meinen Koffer immer noch nicht.

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Lufthansa hat eine Kulturtasche springen lassen. Man versichert, der Koffer wäre spätestens am Sonntagabend in meinem Besitz. Ich nehme die Versprechen zur Kenntnis, und bin stolzer Besitzer einer „Star-Alliance-Waschtasche“. Weihnachten ist gerettet?

LH-Überlebensset

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Lufthansa hält Wort, mein Koffer wird am Sonntagmorgen geliefert. Es schneit unaufhörlich.

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Der Schnee ist weg. Es sind sieben Grad. Planungschaos in meiner Familie. Der Weihnachtsbaum steht noch nicht. Draußen auf den Straßen rennen Menschen apathisch durcheinander miteinander im Wettstreit um die letzten Geschenke.

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Ich werde heute abend einfach die Geschenke verteilen, vorher die Ente noch durch den Ofen jagen, und notfalls in schwedischer Tradition singend um den Weihnachtsbaum rasen. Kalle wird zum Mitmachen verdonnert.

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In diesem Sinne, es sei allen Lesern ein frohes und geruhsames Weihnachtsfest gewünscht.

[Stockholmer] Telegramm 11

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Der Lebensrhythmus hat sich Gott sei Dank in drei einfache Abschnitte eingeteilt: Schlafen (meistens zwischen 23.00 – 5.00 Uhr), der Schule (irgendwann dazwischen) und Mahl-zeit(en) – dies dann je nach Arbeitslücken bzw. momentanem Aufenthaltsort, was in den letzten Wochen am hiesigen Wochenende bzw. einer halben Woche Ferien entweder Berlin oder Föhr war.

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Föhr hat insgesamt neben Ruhe und Wind auch neue Einsichten in Sachen Süßigkeiten gebracht, ich wußte bis dato nicht, daß man eine Küche durchaus auch nur mit Zucker und Butter im Topf exothermen Reaktionen aussetzen kann. Was natürlich das kleinere Übel war, wenn man an das Endprodukt denkt, das dann auf der Zunge Freudentänze aufführt. Dennoch, beschaulich war es, mal wieder, lediglich übervolle Fähren waren ein gefühlter Einbruch in der An- und Abreisequalität, zumal ich die Ehre hatte, an einem Tisch zu sitzen, der von Madame beehrt wurde, die ihre heiße Schokoldade grundsätzlich mit überproportional viel Sahne trinkt und deswegen ein halbes Drama gegenüber der Schiffscrew im Salon aufführte, als einer von den vielen Servicekräften nicht gleich die richtige Menge an den Tisch brachte. Hui, ein bißchen Sylt-Etikette mitten in der Nordsee.
November 2012 Föhr/Strand Nieblum - [etwas] Licht.
November 2012 Föhr/Strand Nieblum – [etwas] Licht.
Mit Instagram bearbeitet.

Das Wetter war auch bei diesem kurzen Ausflug nicht unbedingt ein solches, welches man sich beim Strandurlaub wünscht, aber die Vorzüge eines kalten und nassen Wetters sind eben, daß der gemeine Tourist zu Hause bleibt und mir den Strand zur Gänze überläßt. Und wer Kabribik haben möchte, darf eben nicht nach Föhr reisen [auch wenn dies von der >>> Föhr-Tourismus-GmbH immer noch anders proklamiert wird]. Und wer hätte gedacht, daß man gut ein Jahr nach dem >>> Überbordgehen von einigen Containern vor Helgoland, gefüllt mit Schuhen der unterschiedlichsten Marken, noch Strandgut ausmachen könnte, welches zudem noch gut erhalten ist, fast fabrikneu?

November 2012 Föhr/nahe Goting Kliff - eingelagert.
November 2012 Föhr/nahe Goting Kliff – eingelagert.
Mit Instagram bearbeitet.

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Der Winter läßt hier in Stockholm weiterhin auf sich warten. Die Damen und Herren beim nationalen Wetterdienst sind sich noch nicht mal einig, ob der erste Advent am nächsten Wochenende nun weiß wird oder nicht. Dies schränkt natürlich meine Planung dahingehend ein, daß ich mir nun nicht sicher kann, ob ich am nächsten Samstag mit meinem Schlittenersatz, es wäre eine LIDL-Plastiktüte, in Wahnsinnsfahrt die Hänge im Wald von Arlanda hinuntersause. Ich bedauere dies eigentlich zutiefst.

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Es ist wieder die Zeit für >>> Julbord und Weihnachtsmärkte, außerdem haben die Nachbarn ihren Balkon in weihnachtliches Licht gehüllt. Für mich bricht nun also die stressigste Jahreszeit an: Vorweihnachtszeit.

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Die >>> neuerliche Rettung von SAS , Skandinaviens Fluggesellschaft, hat in meiner Schule im Lehrerkollegium doch für einigen Zündstoff gesorgt. Ich war allein auf weiter Flur mit der Überzeugung, die Fluglinie sollte man eher in die Insolvenz entlassen, als fortwährend Steuergelder in ein Unternehmen zu pumpen, das auf dem Markt nicht überlebensfähig ist. Zudem hatte ein Wirtschaftsprofessor der Universität Linköping festgestellt, >>> SAS wäre eine Frage der Demokratie, das Volk solle abstimmen. Mein Einwand, daß die Schweizer oder Belgier beim Bankrott ihrer nationalen Fluglinien ebenso wenig ein demokratisches Mitspracherecht hatten wie wohl der gemeine Steuerzahler in Schweden, wurde mit der Notwendigkeit einer nationalen Fluglinie in Skandinavien gekontert. Ich präzisierte meinen Einwand und fragte, wie ich als Nichtökonom denn bitte schön über das Schicksal eines riesigen Konzerns entscheiden solle, wo genau denn meine Kompetenzen lägen? Schweigen im Lehrerzimmer. Tja, nun sind also alle glücklich, SAS darf weiter völlig planlos in der Welt umherfliegen (denn ein eigenes Konzept als Kontrast zu Billig- oder Premiumfluggesellschaften gibt es nicht), auch wenn Norwegen und Dänemark ihre Anteile loswerden wollen und das fliegende Personal sicherlich unter glücklich etwas anderes versteht als die errungenen Kompromisse. Und ich bin wohl ein bißchen als Kapitalist verschrien.

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Die Schüler wollen nicht mehr, man merkt, daß es geschwind auf Weihnachten zugeht. Hausaufgaben? Fehlanzeige! Einreichen schriftlicher Aufgaben? Fehlanzeige! Verzweifeltes Benehmen bei Krankheit des Lehrers wegen Unterrichtsausfall? Fehlanzeige! [Ich gebe an dieser Stelle zu, daß es mir in meiner Schulzeit zumindest im letzten Punkt ähnlich erging.]

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Ich komme immer noch nicht darüber hinweg, daß ich zu Weihnachten über München nach Berlin fliegen muß.

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In Anbetracht dessen, daß eine gründliche Reflexion über den vorletzten Flug mit Air Berlin ergeben hat, daß die Mitarbeiter dort auf dem „Zahnfleisch“ krauchen und eigentlich nur ein Produkt dessen sind, was Herr Mehdorn in dieser Fluggesellschaft veranstaltet, habe ich nun doch wieder Flüge mit ihnen gebucht.

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Schönen Wochenstart aus Sthlm!

[Stockholmer] Telegramm 10

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Zehn Wochen Schule, und man wird immer noch jeden Tag von seinen Schülern überrascht. Nun kommt man eben zu spät, weil man den Klassenraum in der Schule nicht gefunden hat, obschon dieser sich seit Beginn der Schule nicht geändert hat. Und was die moderne Technik im Klassenraum angeht (es hat aber auch wirklich jeder in meiner Schule einen PC), ich will sie nicht, mich dürstet es, im Englischunterricht den PC – tragbar natürlich – eines jeden Schülers feierlich aus dem Fenster segeln zu lassen. Denn wenn 50 sog. Access Points (Zugangspunkte für das drahtlose Netzwerk) 1.200 Geräte ins Internet bringen sollen, kann ich meinen Unterricht unter Zuhilfenahme des Internets ad acta legen. Es funktioniert nicht. Erfreulich hingegen: der Ferienanfang in dieser Woche. Die Schüler dürfen endlich offiziell verschlafen, die Lehrer zumindest bis mitte der Woche in der Schule erscheinen. Lustige Kaffee-Zimtschnecken-Konferenzen, auf denen man natürlich auch wieder lernt, wie man die IT im Unterricht einsetzen kann. Wie gut, daß die Verantwortlichen der örtlichen Schulbehörde beim Präsentieren gegen die Wand fuhren … kein Netz. Vielleicht springt nun doch ein bißchen mehr Geld für die technische Aufrüstung raus?

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Ich habe vor drei Wochen mal wieder Falun besucht, es steht wie eh und je. Selbst die Busfahrpläne sind exakt die selben wie vor anderhalb Jahren. Schade, daß Falun in Sachen Arbeit nichts zu bieten hat. Ich wäre sonst wahrscheinlich sehr sehr schnell wieder zurück im Herzen Dalarnas.

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Oh Freude, oh Freude – es steht wohl demnächst mal wieder ein Umzug an. Näher ran ans Stadtzentrum. Was sein Gutes haben kann. Am letzten Freitag ist man wieder frank und frei vor eine S-Bahn gesprungen, meine Wenigkeit hat dadurch dreieinhalb Stunden zur Schule gebraucht, ich muß ja vom nördlichen Ende zum südlichen Ende der Provinz Stockholm. Und wenn an deren Enden irgendwas passiert, so also ein Sprung vor die S-Bahn, man kommt einfach nicht weg. Das Ganze am Montag dann nochmal. Es wird spannend. Ich werde eventuell in Zukunft also wieder regelmäßig U-Bahn fahren.

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Bei LIDL Schweden gibt es immer noch keine Weihnachtssachen. Ich frage mich, ob Weihnachten dieses Jahr ausfällt. Wenn ich mich richtig erinnere, legte Deutschland ja schon im September mit Dominosteinen und Lebkuchenherzen vor.

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Fünf CDs in das Flüßchen Märstaån hier in Märsta geworfen, und man ist >>> 300 Euro los, nachdem man vor ein Gericht gestellt wurde. Strikt sind die Schweden in Sachen Umweltschutz, hat man das schon mal in Deutschland erlebt?

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Ich habe mich entschieden, nicht mehr mit Air Berlin zu reisen. Seit Herr Mehdorn das Ruder übernommen hat, geht es bergab, Parallelen zur Deutschen Bahn unter seiner Zeit sollten nicht übertrieben sein; bedauerlich, nicht für die Reisenden, sondern inzwischen auch für ein ziemlich überlastetes Personal. So wird das nichts mit Deutschlands zweitgrößter Fluglinie. Und nein, ich würde niemals verlangen, daß ein Flugbegleiter ein Kreditkartenlesegerät backen muß, wenn das einzige an Bord einer Maschine für 189 Passagiere seinen Geist aufgegeben hat.

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Lufthansa scheint es unterdes zu gut zu gehen, meinen Direktflug am 22/12 von Stockholm nach Berlin haben sie eingestellt, ich werde also über München nach Berlin reisen (Paris, Rom, Erkner). Nun habe ich sicherlich nicht vollen Einblick in die unendlichen Weiten der Ökonomie und ihrer Wirkungsprozesse, aber sollte das nicht wesentlich teuerer für Lufthansa werden?

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Und der Winter hat sich eingestellt, recht früh in diesem Jahr, zumindest in der Stockholmregion.

2012/10/28 Märsta/Stockholm - [eis-]kalt.
Instagram: 2012/10/28 Märsta/Stockholm – [eis-]kalt.

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Und weg ist er … Föhr ruft!

[Stockholmer] Telegramm 9

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Eine Woche Schule, und mein Repertoire an Schülerentschuldigungen bei Verspätungen wächst ins Unermeßliche, ich sollte langsam über ein Buch nachdenken. So wurde mir am Freitag gleich zwei mal die Erleuchtung ins Klassenzimmer gebracht. Die erste machte mir klar, daß Schüler mehr als drei Wochen bräuchten, um sich mit dem Stundenplan „synchronisieren“ zu können, das sollte ich doch bitte in Betracht ziehen, wenn ich ein Unentschuldigt ins elektronische Klassenbuch eintragen würde. Bei der zweiten wurde mir nahegelegt, daß Busse auf Grund von Sprühregen generell über vierzig Minuten zu spät wären, eine Frage nach der genauen Problematik des Busses bei Sprühregen wurde nicht beantwortet, ich wüßte schon warum. Und ich hatte meine Schüler doch um Kreativität bei der Suche nach einer angemessenen Entschuldigung im Verspätungsfalle gebeten …

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Ich muß weiterhin an meinem Akzent im Schwedischen arbeiten. Neue Schüler, neuer Lehrer, und das Kichern im Klassenraum ist groß, das blanke Entsetzen tritt erst dann ein, wenn ich nach einem munteren Ratespiel feststelle, daß ich nicht aus Polen, Frankreich, Spanien, Norwegen oder Dänemark komme, sondern aus Deutschland. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, die Deutschen wären besonders streng.

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Ich glaube, nun werden einige Lehrer in Deutschland Sinnkrisen kriegen, aber ich sitze im Kurs Deutsch 4 tatsächlich nur mit drei Schülern im Klassenraum, ich muß natürlich nicht erwähnen, was das an pädagogischen Möglichkeiten freisetzt!

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Der Herbst ist da! Drei Tage Dauerregen, Temperatur nachts schon im einstelligen Bereich, der Winter kann kommen!

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Das Wochenende war einfach mal wieder viel zu kurz.