[Stockholmer] Telegramm 5

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Der Winter hat sich bei mir äußerst unbeliebt gemacht, wir kommen hier kaum unter die null Grad, es sieht mit dem Schnee traurig aus, fatal möchte man meinen.

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In Schweden, genauso wie in Deutschland, geht es schon wieder los: Die Vorwahlen zum Eurovision Song Contest. Man kann sich davor nicht verstecken, weder in Deutschland noch in Schweden.

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Auch wenn ich gern und ohne Scheu mit >>> SAS fliege, so muß ich feststellen: Wie altbacken! Im April steht eine Klassenreise nach Berlin an, hierfür möchte man natürlich einen Gruppenrabatt beim Fluge erhaschen. Bei >>> Air Berlin und >>> Norwegian gibt es hierfür auf der Webseite Kontaktformulare, bei SAS tröten sie einem ins Telefon, man möge doch bitte in ein Reisebüro gehen, auf der Webseite und über das Call-Center ginge das nicht. Hmmm, bisher habe ich in Stockholm kein Reisebüro gefunden, das mir bei beinem Wunsche nach einer solchen Gruppenreise mit SAS nicht erklärte, sie würden über die normalen Buchungsmaschinen im Netz buchen, bei denen man ja max. 9 Personen gleichzeitig inkludieren kann. Eine Rückfrage bei SAS, welche Reisebüros gemeint sein könnten, ergab Schweigen im schwedischen Walde. Also so kommen wir nicht ins Geschäft, mina damer och herrar da bei SAS

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„Renke, wie peinlich, daß du unsere Grammatik besser weißt als wir …“ – Ist es. Wenn man als Schwede nicht mal den Unterschied zwischen Verb, Substantiv und Adjektiv weiß, dann wird das für mich eine grammatikalische Irrfahrt durch das deutsche Perfekt oder Präteritum, wir sprechen jetzt mal lieber nicht von Präpositionen, die den Dativ fordern. Aber wie sagte eine Kollegin neuerlich zu mir: Renke, Adverb und Adjektiv sind doch eigentlich dasselbe. Genau, entspricht sicher etwa der Aussage, ein Jumbo-Jet fliegt langsamer als ein fliegender Fisch. Wenn meine Schüler das sagten, gut, ich schluckte und würde eine schwedische Grammatikstunde anhängen, freiwillig, sie können ja nichts dafür. Aber wenn eine Kollegin das so kunterbunt und frank und frei raushaut, dann zuckt das im Hirn, ganz gewaltig!

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Sie hängen ihre Weihnachtsbeleuchtung einfach nicht ab!

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Rolltreppenfahren ist gefährlich in Stockholm … rette sich, wer kann!

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Kriegt erneut Besuch aus Deutschland, auf den er sich freut und beendet das Meckern an dieser Stelle. Alles kann hier ja nicht schlecht sein … sonst wäre er schon längst weg!

[friesisch karibischer] Nachschlag.
Föhr

Nun denn, dieses Jahr wurde es endlich mal wieder geschafft. Nach dem Jahreswechsel in Berlin haben mich verschiedene schienengebundene Verkehrsmittel bis an die Nordseeküste gebracht, danach übernahm die Wyker Dampfschiffs-Reederei und verfrachtete mich in einer (für mich) waghalsigen Überfahrt im auflaufenden >>> Orkantief Ulli direkt in die >>> Friesische Karibik, also auf die Insel Föhr, die im Winter 2011/12 recht tropisch wart. Im Gegensatz zum Winter 2009/10, die Nordsee vollbedeckt mit Eisschollen und das Watt glatt wie eine Bananenschale, hauchte der Wind in starken Brisen, neben Ulli lief ja auch >>> Andrea zu Hochformen auf, Regen sorgte für eine entsprechende Feuchtigkeit, und das Thermometer weigerte sich beständig, an der Null-Grad-Marke zu kratzen.

Vom Wetter läßt man sich aber nicht abhalten, und so konnte ich wieder karibiktypische Unternehmungen vorantreiben und durchführen, welche u.a. wären:

  • das Betrachten einer klitzekleinen Sturmflut (es war meine erste)
  • Begleitung von archäologischen Funden im Watt, die dann im örtlichen Museum hinterfragt wurden
  • Flugversuche am Strand bei Ankunft von Andrea, leichtes Gesichtspeeling durch Sandsturm
  • fotografischer Feldversuch „Müllkippe Nordsee“
  • mobile Erkundung der Strecke des >>> Ersten Föhr-Marathons [Deutschlands nördlichstem Marathon], den ich im April aktiv begleiten werde, mit der Kamera
  • intensive Wortfindungsprobleme beim Spiel Scrabble zusammen mit meinen Gastgebern [es war wie immer schön!]
  • Teilnahme an der Eröffnung eines neuen Poolraumes im >>> Robbenzentrum Föhr
  • Besuch einer Sonderausstellung im >>> Friesenmuseum Wyk zum Thema: „Sturmflut – wat geit mi dat an?“
  • endlose Spaziergänge am fast menschenleeren Strand
  • dem Klönen frönen

Bedauerlichweise hieß am Sonntag schon wieder Abschied nehmen, via Hamburg und Kopenhagen ging es dann wieder gen Stockholm, und ich kann diesmal übrigens nicht behaupten, im Urlaub vor den Schweden sicher gewesen zu sein, gab es doch tatsächlich ein schwedisches Paar, das am Hafen zum Kauf einer Fährfahrkarte mit dem Auto vorfuhr, das Nummernschild verriet: es waren Stockholmer. Macht aber nichts, bei einem Vertretungsjob an einer anderen Schule am heutigen Tage stellte sich eine Kollegin vor, die, nachdem ich den deutschen Dialekt rausgehört hatte und frech nach der Herkunft innerhalb Deutschlands fragte, aus Ostfriesland kommt. Warum also auch nicht umgekehrt. Dennoch, das Hirn wart wieder frank und frei nach dem Besuch auf Föhr, der Sand hat es reingeschliffen. Hoffe ich. Und natürlich habe ich ein paar visuelle Eindrücke von der Insel mitgebracht. Wie immer: Zum Vergrößern ins Bild klicken.

Jan. 2012 Föhr (Strand b. Borgsum) - Komposition.Jan. 2012 Föhr (Strand b. Borgsum) - Fingerzeig.
Jan. 2012 Föhr (Strand b. Borgsum) - Abgelegt.Jan. 2012 Föhr (Strand b. Borgsum) - Ein Licht geht auf.
Jan. 2012 Föhr (Strand b. Hedehusum) - Versauert.Jan. 2012 Föhr (Strand b. Hedehusum) - Kontraststrandgut.
Jan. 2012 Föhr (Strand b. Hedehusum) - Walze.Jan. 2012 Föhr (Strand b. Hedehusum) - Meeresfrucht?
Jan. 2012 Föhr (Strand b. Hedehusum) - Fremd(körper).Jan. 2012 Föhr (Strand b. Hedehusum) - Versperrt.
Jan. 2012 Föhr (Strand b. Hedehusum) - Farbabgleich.Jan. 2012 Föhr (Strand b. Hedehusum) - Dünensitzgelegenheit (versteckt).
Jan. 2012 Föhr (Strand b. Hedehusum) - Natur?
Jan. 2012 Föhr (Strand b. Nieblum) - Sand.Jan. 2012 Föhr (Strand b. Nieblum) - Durchbruch.
Jan. 2012 Föhr (Strand b. Nieblum) - Friesische Karibik?Jan. 2012 Föhr (Wyk Hafen/Fischmarkt) - (leicht) verwässert.
Jan. 2012 Föhr (Wyk Hafen/Fähranleger) - Fluten?

Dazwischen.

Du: Renke, nun bist Du ja an Heiligabend nach Berlin geflogen, seit dem hat die Welt nicht mehr erfahren dürfen, was eigentlich das Leben so macht. Man weiß ja, daß du Weihnachten nicht unbedingt frenetisch feierst, es stellt sich da schon die Frage, wie dieses denn nun überlebt wurde?

Ich: Im Gegensatz zum letzten Jahr war der Flieger pünktlich. Und ja, ich mag Weihnachten nicht über die Maße hinaus. Sicher, der Heiligabend wurde würdig, dennoch einfach begangen. Ein Mitglied der Familie ist ja im fernen China und war nicht hier. Dennoch fiel es mir zu, mein Entsetzen war groß, einer Ente Feuer unter dem Hintern zu machen, was so nicht geplant war …

Du: Wenn dies nicht geplant war, und wie plant man eigentlich Weihnachten, was war denn die Planung?

Ich: Eine Planung ist die Organisition von Ereignissen in einem zeitlich festgelegten Zeitrahmen, wie z.B. an Weihnachten. Meine Planung war es, um acht Uhr zu landen, nach Hause zu fahren und zu schlafen. Die Planung meiner Familie war es, drei Enten auf einem Blech in einem Backofen zu befeuern. Ich war übrigens in letztere Planung nicht involviert. So ergab es sich, daß die drei Enten auf die Planung verzichteten und nur zwei auf einem Blech in einen Ofen passen wollten. Das kollidierte nun also mit der Planung meiner Familie und mit der meinigen, denn nun mußte eine Ente auf ein anderes Blech in einen anderen Ofen. Da alle irgendwie verplant waren, blieb meine Schlafplanung, die außer Kraft gesetzt wurde. Wie schön für die Ente, wie schlecht für mich.

Du: Sollte dies etwa das Fest eingetrübt haben?

Ich: Aber nicht doch! Eine gute Zusammenarbeit zwischen mir, dem Backofen und der Ente hat zu fantastischen Ergebnissen geführt, auch wenn meinerseits der Small Talk Richtung Ente bei 200°C irgendwann einschlief. Geschmeckt hat es, und den Abend gerettet. Und bevor noch mehr Fragen kommen:

  • Heiligabend gut überstanden
  • den Rest auch
  • viel unterwegs gewesen und nette Menschen getroffen
  • Wieviele Hirnzellen gehen eigentlich bei den Festen zwischen den Festen drauf?
  • Stockholmer Besuch heute in Empfang genommen
  • will heute abend zum Brandenburger Tor, mit dem Besuch

Und dann schauen wir mal!

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Und wenn ich dann fertig bin mit dem Schauen und Kieken und Wissen, dann ist wohl schon ein neues Jahr angebrochen. Ein unbekanntes, unvorhersehbares. Dennoch möchte ich an dieser Stelle allen einen guten Rutsch wünschen, mögen all die Vorsätze fürs neue Jahr auch diesmal wieder in einer Seifenblase gefangen sein und spätestens nach dem Katerfrühstück am 1. zerplatzen – bei Sturheit und Überzeugung darf ich auch gern alles Glück dieser Welt zum Gelingen wünschen; es wird!

Frohes Neues!
Happy New Year!
Gott Nytt År!

[das letzte Stockholmer] Telegramm 2011

Und siehe da, es war soweit:

  • nach unzähligen deutschen Weihnachtskaffeetrinkenunterrichtsstunden kann ich keine Weihnachtssüßigkeiten mehr sehen, selbst Dominosteine kommen mir zu den Ohren raus – ich hoffe, daß diese fatale Situation bis morgen abend einer Lösung zugeführt wird
  • die letzten Hausaufgabenkontrollen wurden soeben von mir kontrolliert, schließlich steht ja nirgendwo geschrieben, daß das Weihnachtsfest von Bildung abhalten solle
  • Stockholm wird seit langem mal wieder ein grünes Weihnachtsfest erleben, der Wetterbericht sagt 11°C für die kommenden Tage voraus, im Moment rennt der Schnee vor dem Regen weg –  es wird ihm nichts nutzen

Und damit wäre dann das Jahr in Stockholm auch schon beendet. So einfach ist das. Morgen früh um halb sieben noch geschwind nach Berlin geflogen, und dann kann das Fest beginnen. Möge es kurz und bündig werden … zumindest für mich.

Dem Leser sei natürlich an dieser Stelle ein ruhiges und besinnliches Weihnachtsfest gewünscht, ganz ohne Geschenkekrawall und brennendem Tannenbaum. Und da Bildung nie schaden kann, auch nicht zum Weihnachtsfest, erfolgt dieser Gruß wie schon die letzten Jahre auch standesgemäßt auf Schwedisch – in diesem Sinne:

God Jul!