Fragenkatalog.

2011/06/08 Stockholm – Waldemarsudde. Faul treibend.
2011/06/08 Stockholm – Waldemarsudde. Faul treibend.

Manchmal, nein – eigentlich immer, fragt man sich meinerseits vor einer Tour mit den Touristen, was wohl wieder alles schiefgehen könnte. Da hätte man Stau in Stockholm, Touristen die auf die Toilette möchten, Fragen, die ein Renke beim besten Willen nicht beantworten kann, ein ortsunkundiger Busfahrer und Kollegen, die einem die nächste Attraktion in der Altstadt streitig machen wollen. Ganz übel wird es natürlich, wenn die königliche Familie auf Schloß Drottningholm mal wieder entschieden hat, sie bräuchte Teile der öffentlich zugänglichen Etagen für sich selbst, dann bricht bei mir Panik aus, muß man doch Alternativen finden, um die veranschlagte Stunde in Drottningholm ausfüllen zu können – wobei man schon mal zehn Minuten für die obligatorische Toilettenpause am Anfang der Führung streichen kann. Und wenn ich dann fertig überlegt habe, so wie gestern, und mich selbst wieder auf ein halbwegs ansprechbares Niveau herunter geschraubt habe, dann wünschte ich mir meistens, meine Touristen wären wie Enten, die faul auf dem Wasser umherschwimmen und keinerlei Interesse für die Umwelt zeigen. Schlafen, das Köpfchen hier und da ins Wasser getunkt. Ruhe.

Und eigentlich lief Drottningholm gestern spitzenmäßig. Die Geschichte mit Schwung und Humor genommen, sprachliche Fehler meinerseits wurden von meiner Gruppe wohlwollend verziehen (Hedvig Eleonora, Ulrika Eleonora und Ulrika Lovisa, nach 10 mal Aufsagen dieser Namen war Eleonora für meine Zunge ein akutes Hindernis). Der große Kracher für einen Touristenführer blieb aus. Tja, bis man den barocken Schloßgarten entdeckte. Der links und rechts von einer Allee umsäumt ist. Und auf der rechten Allee steht nun, warum auch immer, eine alte Eiche, die einzige weit und breit, die zur Hälfte gekappt wurde und eigentlich recht ungesund aussieht. An dieser Eiche entzündete sich nun eine rege Diskussion, und mein Nichtwissen um diese Eiche sorgte für Gruppendynamik. Also meine Theorie war ja, daß diese ein Überbleibsel des Englischen Gartens wäre, der sichts direkt an den barocken Garten anschließt. Und vermutlich wäre die Allee ja sicher erst gebaut worden, als Drottningholm 1991 die erste schwedische Weltkulturerbestätte wurde, der Übergang vom barocken Garten zum Englischen Garten war früher fließend. Nun gut, dies wurde so nicht angenommen, und ich versprach, mich um Aufklärung zu bemühen. Ein Landschaftsgärtner, der frank und frei in der Anlage humherhopste, wurde in Beschlag genommen. Der allerdings war sich seiner Sache auch nicht sicher. Ebenso wenig das Schloßpersonal, das natürlich von mir ausgefragt wurde. Sehr schön, nun habe ich eine Hausaufgabe und meine Touristen sind zurück auf ihrem Schiff und wissen nicht, auf ihrem Weg nach Tallin, warum die Eiche in Drottningholm zwischen dem barocken und Englischen Garten da steht, wo sie steht. Da wirkt es natürlich fast angenehm, daß die Frage, ob man in Gamla Stan (Altstadt) Zeit hätte, eine Postkarte zu kaufen, mit einem klaren Nein beantwortet werden konnte.

Und siehe da, es gibt einfach Gegebenheiten zwischen Himmel und Erde, die selbst einem Touristenführer verschlossen bleiben … auch wenn der gemeine Tourist dies nicht akzeptieren mag.

Auf der anderen Seite, nun muß ich meine deutsche Gruppe von gestern wirklich verteidigen, herrscht Disziplin beim kollektiven Sehenswürdigkeitenanschauen. Meine Kollegin, die eine englischsprachrige Gruppe hatte, es waren Inder, und mit der ich den Bus teilte, verlor die halbe Gruppe auf Drottningholm und später in der Altstadt, weil man einfach die Zeiten nicht einhielt und sich andauernd von der Gruppe entfernte, ich sammelte zum Schluß zehn ihrer Touristen beim Schlendern mit meinen durch Gamla Stan wieder ein. Das ist mir mit den Deutschen noch nicht passiert. Und, auch wenn die Eiche nun immer noch unbeantwortet in Drottningholm steht, gelungen muß meine Tour gewesen sein, ein ordentliches Trinkgeld stellte sich am Ende am Schiff in meiner Tasche ein, meine arme Kollegin erhielt, immerhin eigentlich, nur feste Umarmungen.

Und bis dann also nächte Woche der Fragenkatalog sicherlich wieder eine Erweiterung findet, wird hier einfach mal das Wort FAUL ganz groß geschrieben.

PS. Es gibt natürlich Standardfragen:
Wann sind Sie hergezogen? Ach, vor sechs Jahren? Und wollen Sie zurück nach Deutschland? Nicht? Oh, das muß wohl die große Liebe sein, ein blondes Mädchen sicherlich [leichtes Gegacker]? Wirklich nicht? Interessant, Sie lieben den schwedischen Winter so? …

17 Minuten von T-Centralen.

Nun habe ich ja zuweilen schon immer wieder bemängelt, daß Stockholm nicht unbedingt Falun wäre, was vor allem bezüglich der Natur gemeint ist. Allerdings wurde ich nun am gestrigen Abend eines besseren belehrt, entschied ich mich, doch meine neue Umgebung, die zumindest noch drei Wochen lang mein „Zuhause“ sein wird, zu erkunden. Ich wollte mich also nicht nur mit einem Spaziergang auf Djurgården zufrieden geben, sondern das Abendbrot zwischen 18.45 und 20.00 Uhr abarbeiten, ehe ich dann ein dreistündiges, wunderbares Skypegespräch mit der Uli hatte. Ich wagte mich in mir unbekannte Gefilde vor, und daraus wurde schlußendlich ein sieben Kilometer langer Marsch mit dem bangen Blick auf die Uhr, der Termin um 20 Uhr war nämlich auf Grund dessen, daß mir die Umgebung nicht geläufig war, unhaltbar. Ich hatte mich tatsächlich „verirrt“. Um das vielleicht genauer zu erklären: Man wohnt genau siebzehn Minuten U-Bahnfahrt von Stockolms Zentrum, die Station wird einfach nur T-Centralen (U-Bahnhauptbahnhof, sehr freie Übersetzung) genannt, entfernt. Ich habe einfach nicht damit gerechnet, obschon ich es eigentlich hätte besser wissen müssen, daß ausgedehnte Wald- und Seegebiete einem das Navigieren in einer Großstadt schwierig machen könnten. Immerhin hat Stockholms Region fast zwei Millionen Einwohner. Nun denn, ich habe dazu gelernt. Spontane Abendspaziergänge auf unbekanntem Stockholmer Terrain sollten wohl durchdacht und aufwendig geplant werden, man landet sonst mitten im Wald, ohne genaue Peilung. Wie glücklich ich in diesem Moment doch war, Besitzer eines Mobiltelefons mit Internet und GPS zu sein, Google Maps hat mich und das Skypegespräch gerettet. Dumm nur, daß der Akku nicht vollständig geladen, darauf hatte ich bei meinem Aufbruch großzügig verzichtet. Alles eine Frage der Planung, eben siebzehn Minuten von T-Centralen.

2011/06/06 Stockholm Bagarmossen (Söderbysjön) - Natur.
2011/06/06 Stockholm Bagarmossen (Söderbysjön) – Natur.

2011/06/06 Stockholm Bagarmossen (Söderbysjön) - Wassergemüse.
2011/06/06 Stockholm Bagarmossen (Söderbysjön) – Wassergemüse, in Licht.

2011/06/06 Stockholm Bagarmossen (Söderbysjön) - Eingefangen.
2011/06/06 Stockholm Bagarmossen (Söderbysjön) – Eingefangen, in Licht.

Sveriges nationaldag.

Sveriges flagga/Schwedens Flagge
Dem Anlaß entsprechend: die schwedische Flagge.

Auch wenn man heute fern in der deutschen Heimat dem Schuften frönt, so nutzt der gemeine Schwede den heutigen Tag zum Feiern, wir haben nämlich den nationalen Feiertag, Sveriges nationaldag, der jedes Jahr am 6. Juni gefeiert wird. Auf der einen Seite erinnert man sich der Krönung des Königs Gustav Wasa im Jahre 1523 und der damit verbundenen Auflösung des Staatenbundes Dänemark-Schweden (Schweden wurde also ein eigenständiger Staat), auf der anderen Seite nutzt man diesen Tag, um der schwedischen Flagge zu huldigen, die heute wirklich überall im Winde weht.

Nun denn, meiner einer ist ja nun noch nicht ein Vollschwede, daher läßt man diesen Tag meinerseits ruhig angehen, die Schweden hingegen geben Vollgas. So ist „Öppet hus“ im Könglichen Schloß, also freier Zugang zu fast allen öffentlichen Bereichen des Schlosses, es wird aber sicherlich verständlich sein, daß ich in meiner Freizeit nicht unbedingt in Lokalitäten einfalle, die ich sonst meinen deutschen Touristengruppen erkläre. Außerdem läuft der Schwede an solchen Tagen ja nicht nur einzeln auf, ganz im Gegenteil, am Schloß herrschte der kollektive Ausnahmezustand. Der herrscht allerdings auch bei einigen Schweden, die sommerliche Wärme und ein Feiertag laden zum Schlürfen und Süffeln ein – mag es ein Bier oder ein Wein sein. Die Ausfallrate ist dabei schon am frühen Nachmittag beträchtlich hoch, die U-Bahnfahrt durch die Stadt war recht putzig anzusehen. So herrschte Verwirrung über die zu benutzende Linie, das ausführliche Studieren der Linienkarten wollte bei einigen nicht mehr so recht klappen. Naja, die Schweden sind ja unter der Woche ein recht stilles Völkchen, aber wehe es ist ein Feiertag … rette sich wer kann!?! [Ich bin auf die Gesichter im morgigen Berufsverkehr gespannt, es wird wohl einiges Leid zu entdecken sein.]

Man kann den schwedischen Nationalfeiertag natürlich auch anders verbringen. Vorbildlich habe ich mich um neun aus dem Bett heraus gearbeitet, um nach einem leichten Frühstück eine gute Freundin aus Falun wiederzusehen. [Irgendwie nimmt das an Häufigkeit zu, also daß ich ehemalige Studienkollegen hier in Sthml wiedertreffe.] Wir haben uns auf Djurgården getroffen und einen Teil erkundet, den ich selber noch nicht kannte, >>> Rosendals Trädgård.


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Eine wirklich feine Anlage! Viele Farben, viel Grün, einige glückliche Hühner (die frank und frei umher hopsen) und ein paar Bienen. Allerdings war das mit Bienen diesmal so eine Sache, ein Schild wies darauf hin, daß diese „unruhig“ sein könnten, wurden sie doch erst jüngst umgezogen. Und das waren sie dann auch, selbst mit zehn Metern Abstand hatte man den halben Stock vor seinem Gesicht, der wirr hin und her flog. Ich fühlte mich leicht gestreßt, leicht. Dennoch kann ich von einem wunderbaren Tag berichten und drücke nun einfach mal die Daumen, daß die Woche sich weiter so positiv entwickeln wird, man hadert zuweilen in leichten Anflügen mit seinem Schicksal. Kommt eben vor.

Soweit der Stand der Dinge aus dem hohen Norden (mit verdammt hohen Temperaturen, man könnte meinen, ich tue das durchaus, es sei zu warm). Frohes Schaffen!