[Stockholmer] Telegramm 4

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Der waagerecht runterfallende Regen geht in Schnee über. Damit klebt die Chose besser im Gesicht. Von Winter kann allerdings immer noch nicht gesprochen werden, ich werde wohl das zweite Mal in knapp sieben Jahren Schweden die Anfänge eines >>> grön jul, also eines grünen Weihnachtsfestes erleben. Ich überlege immer noch, ob ich konsterniert bin.

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Was Berlin in Sachen S-Bahn kann, können wir schon lange! Nachdem sich die Tochter der Deutschen Bahn am Donnerstag höchst effektiv >>> selbst abgeschossen hatte [mal wieder], >>> folgte am Freitagnachmittag, so richtig schön während des Berufsverkehrs, der Stockholmer Flughafen Arlanda. Und wie in Berlin hatte auch in Stockholm irgendjemand oder irgendwas >>> den Stecker gezogen. Es war kein Strom mehr da, der auf Grund einer um 14.45 Uhr untergehenden Sonne zur Befeuerung der Lande- und Rollbahnen durchaus als notwendig betrachtet werden kann. Eine Ruhe war das vor meinem Fenster …

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Wann wird nur endlich Weihnachten? Meine Schüler ticken reihenweise aus, ich kann nicht behaupten, daß meine Nachmittagsunterrichtsstunden am Freitag noch geordnet waren. Ein verwaltetes Chaos nur noch, Rumpfunterricht, ein Kampf zwischen Tafel und Schulbank, so ungefähr könnte man das per Sprache definieren. Ich kann es ihnen aber nicht übelnehmen. Wenn Mütter sich mit ihren Kindern in der S-Bahn wegen zu kleiner Weihnachtsgeschenke in die Haare kriegen, und Passanten in Fußgängerzonen zu Gewaltausbrüchen neigen, weil ihnen ein Vater mit Kind und Kegel und vier übergroßen Tüten voller Kinderspielsachen den Weg streitig macht, dann kann es nur logisch sein, daß meine Schüler selbiges im Klassenzimmer versuchen. Die Betonung liegt auf versuchen: nicht mit mir.

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Meine Kamera verkommt. Ich staune, daß sie sich überhaupt noch anstellen läßt. Und auch wenn es mich danach gelüstet, mit ihr durch Wald und Feld zu springen, wir sind hier leider nicht in Falun [da liegt übrigens ein halber Meter Schnee]. Es gibt einfach nichts, was vor die Linse muß. Ich bedauere dies zutiefst und hoffe auf zwei Umstände: Daß der Winter endlich seinen Hintern hierher geschwungen bekommt, und daß ich demnächst wieder dem Reif-für-die-Insel-Reflex nachkomme – Föhr.

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Einen ruhigen und in den Einkaufstempeln dieser Welt kampffreien vierten Advent wünsche ich.

Reisende soll man nicht aufhalten!

Daher brechen inzwischen auch schon die letzten Stunden hier in Berlin an, abends wird sich noch einmal mit dem Kalle, der Katja, der Sabine und der Uli getroffen, und dann heißt es morgen Daumen drücken, möge die Air-Berlin-Maschine nach Stockholm ihren gewaltigen Hintern in die Lüfte kriegen. Allerdings wird es wieder spannend, wie der Flughafen erreicht wird, denn die S-Bahn-Berlin hält sich an das obige Credo nun ganz und gar nicht. Der Notfahrplan wird fast im Tagestakt heimlich still und leise verändert, das Angebot auf Grund widriger Witterungsverhältnisse weiter und weiter reduziert, sicher, der Winter ist in Deutschland ja das Achte Weltwunder. So ein >>> Chaos, das ja nun schon über ein halbes Jahr andauert, hat es selbst unter Reichsbahnzeiten bei der S-Bahn nicht gegeben, die Herren Direktoren und Betriebsleiter wären wohl sonst wegen Sabotage am Volkseigentum vor den Kadi gekommen. Tja, die Zeiten haben sich eben doch geändert. So werde ich mein Glück morgen einfach mit dem Bus versuchen, es kann ja nur schiefgehen.

Bedauerlich ist, daß ich dieses mal nicht alle so sehen und treffen konnte, wie ich mir das vorgestellt hatte, Ereignisse im Familienumfeld haben das teilweise unmöglich gemacht. Da muß ich durch, und da müssen die durch, die mich nicht gesehen haben. Wir sollten uns aber darüber einig sein, daß ich sicherlich nicht das letzte Mal in Berlin war, die Flugplanungen rechts sehen ja schon wieder vielversprechend aus!

Wie auch immer, die letzten zwei Wochen waren aufregend, feierlich, genügsam, leicht pädagogisch, herzlich und einfach nur schön, wenn ich auch zugeben muß, daß ich mich auf mein winterliches Falun freue, der Schnee soll in Massen liegen und am morgigen Tage werden bei meiner Ankunft abends -26° erwartet, der Morgen des Donnerstags soll dann mit frischen >>> -32°C begonnen werden. Ach, ich bin gespannt, wie sich das anfühlen wird! Ich werde berichten, ganz bestimmt.

Bis dahin verabschiedet man sich meinerseits nun, dankt noch mal all seinen Lieben für die wundervollen Ferien hier und verspricht: Ich komme wieder!

Temporarily Out Of Order!

… was ja so ziemlich alles und nichts heißen kann, wie außer Betrieb, außer Dienst, stromlos und einfach nur tot. Tja, und im Moment scheint ja doch unheimlich viel Out Of Order zu sein. Man nehme da einfach nur die S-Bahn Berlin, die nach dem >>> Chaos im Sommer nun wohl zum >>> finalen Selbstabwracken ansetzt und in Zeiten von Internationaler Funkaustellung und unzähligen Konzerten in der hiesigen Stadt Berlin den Transport verweigert. Daß nun defekte Bremszylinder, die nachweislich auf Grund >>> bewußt unterlassener Wartung ihren Geist aufgeben, bei der Bahn für höchste >>> Überraschung sorgen, glaubt doch ehrlich gesagt eigentlich keiner mehr. Denn recht einfach ist doch die Rechnung: Die S-Bahn wird das einsparen, was die dicke fette und geldgierige Mama, auf gut Deutsch die Deutsche Bahn AG, von ihr haben möchte, also an jährlichen Überweisungen. Warum also nun die Herren da oben erneut völlig überrumpelt und intensiv schockiert wären, entzieht sich meiner Logik. Nun gut, es müssen ja nicht alle meine Logik teilen, allerdings bewundere ich zunehmend die Geduld der Berliner. Bei der Aussicht, daß der bisherige Termin eines wieder funktionierenden Netzes im Dezember nicht gehalten werden kann, ist umso erstaunlicher, daß die Hütten von Frau Junge-Reyer, dem Bahnvorstand und der S-Bahn Berlin GmbH noch nicht brennen. Irgendwie ist man in  Deutschland nicht ganz so aufmüpfig wie z.B. in Frankreich, wo schon mal Fabriken in die Luft gesprengt werden sollen, wenn die Wirtschaftskrise ihre kalte Hand an die Wände legt. Sicher, nun fragt man sich, was eiert der Renke hier rum und palavert über Probleme, die ihn in Schweden doch nichts angehen? Die Antwort ist recht einfach: Ich brauche sie bald wieder, die S-Bahn, zudem, wer dies noch nicht weiß, auch hier und da ein Freund von mir bei der raffgierigen Mutter Bahn arbeitet, und da muß man sich schon einiges anhören, denn die Mitarbeiter wissen nun langsam auch nicht mehr, wo eigentlich noch oben oder unten ist. Man hört sogar Stimmen, daß ein solcher Vorgang zu Reichsbahnzeiten einen Akt der Sabotage dargestellt hätte und die Verantwortlichen drastische Maßnahmen getroffen hätten, wie das eben bei Sabotage am Volkseigentum üblich war. Auch wenn nun meine >>> Prophezeiung vom Sommer bisher nicht zur Gänze eingetroffen ist, ich weiß nicht, wie die S-Bahn sich selber wieder von der Wand abkratzen will …

Außer Betrieb war auch die letzten Tage der Blog, Asche auf mein Haupt. Allerdings bastelt meine Wenigkeit wieder etwas an der Gesundheit rum,  das Übliche, mir scheint, die frische schwedische Luft, hier und da recht feucht und abends auch schon kühl, paßt noch nicht ganz in das Konzept meiner Nasennebenhöhlen. Das bewirkt zwar Unangenehmes, und hält zuweilen vom klaren Denken ab, ist nun aber, wie immer, nicht wirklich dramatisch, eben nur: Temporarily Out Of Order!

Bei den Hirnen meiner Mitbewohner hier im Flur scheint dies übrigens auch des Öfteren der Fall zu sein, erst gestern rettete ich unsere Spülbecken vor dem Ertrinken. Pasta und Salat, schon nicht mehr ganz frisch (die Farbe läßt auf ein Alter von drei, vier Tagen schließen), verstopften nämlich den Abfluß. Daß der Herd bald mit seinem eigenen Fett davon schlittern kann, ist dabei im Übrigen eine ganz andere Geschichte.  Ganz kuschelig wird einem dann, wenn man noch Fisch vorfindet, der in der Spülbeckenbrühe tot seine Runde dreht (der Wind ist schuld, das Fenster war offen), er sieht natürlich nach dem Auftauen auch nicht mehr so ganz formschön aus.

Aber beklagen will man sich ja nicht, es wäre völlig zwecklos. Ganz im Gegenteil, man schaut munter nach vorne, wenn auch leicht gedämpft, zumindest in Sachen Frische und Schaffenskraft. Summa summarum kann ich also ganz am Ende behaupten: In Falun kreist die Erde immer noch um die Sonne, und wenn dem irgendwann nicht mehr sein sollte, dann gibt es hier und exklusiv ein Zeichen von mir! So schließe ich den heutigen Eintrag mit einem Gruße an die Welt da draußen und sage einfach: Bis später!

Was Hänschen nicht lernt …

… lernt Hans nimmermehr. Hier in Berlin könnte man das in Bezug auf das derzeitige >>> S-Bahn-Chaos auch so formulieren: Was die S-Bahn Berlin GmbH nicht lernt, lernt die Deutsche Bahn AG nimmermehr.

Jetzt sind auch die ersten Busse der S-Bahn kaputt

[…] Die Polizei zog am frühen Mittwochabend drei Fahrzeuge aus dem Verkehr, die als Schienenersatzverkehr zwischen den S-Bahnhöfen Messe Süd und Wannsee im Einsatz sind.

[…] Ein Auszug aus der Mängelliste: Der Tank war defekt, Diesel lief aus, ein Radbolzen hat gefehlt, die Lenkung war verschlissen.

>>> Tagesspiegel online „Jetzt sind auch die ersten Busse der S-Bahn kaputt“ (2009/07/27)

Stellt sich eigentlich nur noch die Frage, ob die verantwortlichen Topmanger nicht anders können oder einfach eine gewisse >>> Systematik dahintersteckt. Man soll ja aus Erfahrungen klüger werden, ein Kind legt sich ja bekanntlich nur einmal in seinem Leben mit einer Herdplatte an. In diesem Falle allerdings muß die Erfahrung anscheinend noch wesentlich drastischer ausfallen, bis man einsieht, daß der Turbokapitalismus bei einem Nahverkehrsunternehmen mit einer wesentlichen Infrastrukturfunktion nichts zu suchen hat …

Das Motto heute: Es wird schlimmer kommen.