Wenn einer Reise tut, so kann er viel erzählen. Und wer dies als Individualtourist oder Einwohner nun unbedingt mit dem Stockholmer öffentlichen Person- und Nahverkehr machen möchte oder machen muß, der sollte grundsätzlich ein paar Kenntnisse in Sachen „Fehlermeldungen“ haben, die hier und da, gerne eigentlich jeden Tag, auf den elektronischen Anzeigen von U-Bahn, Pendeltåg (S-Bahn), Bus und verschiedenen Lokalbahnen auftauchen und den Reisenden darauf hinweisen, daß eine unkomplizierte Reise von A nach B an dieser Stelle ihr plötzliches Ende findet und der Kampf ums Überleben inmitten des Stockholmer Nahverkehres unmittelbar bevorsteht.
Schwedisch
Ein schwedisches Wort – nr. 45
Angesichts aktueller Ereignisse von wahrer Wichtigkeit, bietet es sich heute einmal an, lieber Leser, Frontalunterricht zu betreiben, natürlich im Rahmen der technischen Möglichkeiten eines Blogs. Ich biete zwei Wörter an, die einem im Moment tagtäglich um die Ohren gehauen werden, und eines, was die anderen beiden mehr oder weniger zusammenfaßt, als wir da nun hätten:
Julbordet + Svininfluensan = förstörda julvansinnet
Nun gut, Svininfluensan schreit ja förmlich gewaltig nach dem deutschen Pendant Schweinegrippe, welchem es dann auch entspricht, grammatikalisch ganz richtig: die Schweinegrippe. Denn, genauso wie in Deutschland hat das Thema Schweinegrippe die Medien und die Gesellschaft in Schweden fest im Griff. Im Zug wird man neuerdings komisch bis bestrafend angeguckt, hustet man aus Versehen ein bißchen. Es ist dabei völlig unerheblich, ob man nun eine Erkältung hat, natürlich eine ganz ordinäre, oder die Klimaanlage des Fliegers die Nase noch zum Tanzen bringt: Solange man nicht an der Svininfluensa leidet, hat man gefälligst nicht zu husten bzw. ist man von ihr befallen, fährt man natürlich nicht Zug. Allerdings ist die Impfpanik in Schweden in Bezug auf das Virus nicht ganz so dramatisch und heiß diskutiert wie in Deutschland, hier werden ganze Schulen durchgeimpft, ein Phänomen, was ich zuletzt in der DDR erlebt habe. Dennoch hat die Schweinegrippe ernsthafte Auswirkungen auf den Julvansinne. Wer nun bei der Übersetzung ins Schlingern gerät, es sollte nicht so einfach wie bei Svininfluensa sein, dem sei gesagt, daß dies durchaus statthaft ist, dennoch leicht sein sollte, kennt man den Renke und seine Einstellung zum alljährlichen Weihnachtswahnsinn, der ja bei LIDL und Co. schon Ende August Einzug hält. Und genau dieser Wahnsinn, der Julvansinne, wird nun angegriffen durch die Svininfluensa. Sicher, das Aufstellen von Tannenbäumen wird kaum durch die Schweinegrippe tangiert, auch die Wahlen der Lucia anläßlich des Sankta-Lucia-Tages sollten kein Problem sein, allerdings wird mehr und mehr das Julbord über den Haufen geschossen. Wer es noch nicht kennen sollte, Julbordet heißt frei übersetzt soviel wie der Weihnachtstisch und stellt eine schwedische Tradition dar, die alljährlich massenweise zelebriert wird, ab Ende November bis ran zum Heiligabend. Dabei wird meist ein Buffet aufgebaut, an dem man sich dann schön der Reihe nach bedient und an den unterschiedlichsten Gerichten vergreift, wie z.B. an Köttbullar, Julskinka (Weihnachtsschinken), Janssons frestelse, Julmust, Schnaps usw. Und damit man auch maximal in Gesellschaft essen und trinken kann, wird dieses Julbord so ziemlich von allen und jedem abgehalten und durchgeführt. Die Angestellten der Universitäten haben ihr Julbord, genauso wie kleine und große Firmen, Schulen, Studentenheime, Kindergärten, jeder, aber einfach jeder muß einmal im Jahr an solch ein Julbord ran. Wirklich immer einmal im Jahr? Diesmal nicht! Denn inzwischen werden auf Grund der Schweinegrippe reihenweise die Weihnachtstische umgekippt. So hat jüngst ein südschwedisches Unternehmen seinen dreitausend Angestellten mitteilen lassen, daß dieses Jahr das Massenessen ausfallen werde, anstatt eines gemütlichen Beisammenseins am Tische wird nun ein Massenausflug in den Zirkus im Frühling angesetzt. Die Mitarbeiter sehen die Sorgen ihres Arbeitgebers freilich ganz anders und sind leicht aufgeregt darüber, daß ihr geliebtes Julbord einfach abgesetzt wurde und glauben nicht daran, daß die Absage zum Schutze der Gesundheit getätigt wurde. Vielmehr bestehen sie darauf, daß ihr Julbord durchgeführt werde, so zumindest kann man dies in den >>> Dagens Nyheter vernehmen.
Und damit hätten wir eigentlich auch schon den zerstörten Weihnachtswahnsinn, förstörda julvansinnet, in Schweden bremst man leicht die Traditionen aus. Sicher, Weihnachten ist nun nicht total zerstört, ich würde niemals ein solches Szenario aufbauen, allerdings ist es schon interessant zu beobachten, wie die Nationen unterschiedlich berührt werden – angegriffen von der Schweinegrippe. In Deutschland wird ja mehr oder weniger geunkt, daß man Fußballspiele meiden solle, auf diesen Trichter ist man hier aber noch nicht gekommen. Ein schwerer Eingriff ist die Absage eines Julbord schon, für die Schweden. Ich selber feiere die Angst vor dem Virus, denn ich kann, es tut mir leid dies konstatieren zu müssen, mit dem Julbord nichts anfangen. Wie schon mehrmals bekannt gegeben, hasse ich Julmust, auch Janssons frestelse ist fern davon, mein Herz weihnachtlich aufleben zu lassen und bei Julskinka renne ich einfach nur noch weg, weit weg. Abzuwarten bleibt allerdings, inwiefern sich die Panik bis nach Falun vorarbeitet, bisher stehen zwei Einladungen zum Julbord in meinem Kalender, und bisher ergab sich keine Möglichkeit, diese mit dem Radiergummi vom Papiere zu fegen. Daher rücke ich davon ab, daß wir hier in Falun bereits einen zerstörten Weihnachtswahnsinn hätten, ganz im Gegenteil, der Vermieter stellt schon wieder Tannenbäume en masse in Höfen und Vorgärten auf, ich wurde gestern von Weihnachtsliedern beim Einkaufen gnadenlos und hinterrücks überwältigt und irgendwie rennen hier im Studentenwohnheim schon alle ganz panisch hin und her, weil Geschenke her müssen. Das Wort shopping wird inflationär durch die Flure gehallt und ich selber frage mich bei Ankunft dieses in meiner Ohrmuschel immer, was das eigentlich mit Weihnachten zu tun hat …
Aber was soll man machen, der Entzug vom Weihnachtswahnsinn ist schwerlich durchzuführen, ich säße sonst nur noch in meinem Kämmerlein und betrachtete die Wand. Daher schreiten wir also frohen Mutes gegen Schweinegrippe in den Wahnsinn und lassen Weihnachten einfach auf uns zukommen! In diesem Sinne sei die heutige Kurzausbildung in der schwedischen Sprache beendet und ein Gruß aus einem grauen und nicht winterlichen Falun, es regnet und regnet, in die Welt entsandt.
Ein schwedisches Wort – nr. 44
Höstens färger
2009/10/02 Falun (am Faluån)
2009/10/02 Falun (am Faluån)
Gern sei zugegeben, daß die unnatürliche Farben auf der Bank, wohl geschaffen durch Menschenhand, nicht unbedingt der Übersetzung des heutigen Begriffes zuträglich seien, allerdings nehme ich an, die restlichen Elemente sollten eine leichte Ahnung geben, was ausgedrückt werden soll. Sicherlich ist auch von Vorteil zu wissen, daß wir in Falun jahreszeitlich generell zu spät oder zu früh dran sind, natürlich im Vergleich zu Deutschland gesehen. Den Spätsommer haben wir nämlich kurzerhand abgeschafft und fahren mit Volldampf auf den Winter zu, genießen aber ungeniert noch höstens färger, was dann wohl nicht anderes meinen kann als:
des Herbstes Farben (wortwörtlich), die Farben des Herbstes (sinngemäß)
Damit explodieren wir hier also farblich noch ein bißchen vor uns hin und rum, bevor dann wieder kurze Tage und tiefer Schnee die Regie übernehmen und Falun im Winterschlafe versinkt.
Ein schwedisches Wort – nr. 43
Myggkrig!
Richtig, lieber Leser, Dalarna befindet sich im Krieg, schwedisch krig, und in was für einem! Helikopter steigen auf am >>> unteren Dalälven, mehr als 2.000 Hektar Fläche werden bombardiert, ein Dorf ist bisher davongekommen (>>> Gysinge, es wird auf Grund einer Anordnung durch die zuständige Kommune nicht behelligt und gehört eigentlich auch gar nicht mehr zu Dalarna), zum Kampfe wird dennoch geblasen, ein biologisches Kampfmittel seinen Einsatz findet.
Und das alles, um einem kleinen Vieh den Garaus zu machen: der Mücke, schwedisch mygg. Das zumindest schreiben >>> Dalarnas Tidningar und sprechen eben ganz unverhohlen davon, daß der Mückenkrieg nun beginne. Aber, wie nicht anders zu erwarten, schmeißt man in Schweden nicht einfach die Chemie vom Himmel herab, im Gegenteil, es wird, so berichtet der Artikel weiter, das Bakterium Bacillus thuringiensis israelensis in die Fluten des unteren Dalälven eingebracht, der die Mückenlarven derart im Verdauungstrakt schädigt, daß sie nicht umhinkommen, zu sterben. Nun, inwiefern dieser kämpferisch Akt wirkt, vor allem nur auf die Mücke begrenzt, bleibt außen vor, eine praktische Erfahrung meinerseits, sozusagen eine Eruierung, kann nicht getätigt werden, bin ich doch bald weg. Mitteilen kann ich aber schon, daß mein neuerlicher nächtlicher Ausflug an den Varpan, mein Verweilen im Buschwerke und am Schilfe, ausgereicht hat, um u.a. meinen Arm reich zu verzieren. Falun scheint also den myggkrig entweder erst gar nicht gestartet bzw. zur Gänze verloren zu haben.
Und so lernen wir also, daß ein Tourist beim Erblicken des Wortes myggkrig(et) keineswegs seine Koffer packen muß und Eile geboten ist, dem Lande der Elche, Feen und Trolle (und natürlich IKEA) den Rücken zu kehren, gar in Panik verfallen muß und die Fähren gen Heimat stürmt . Im Gegenteil, ein bißchen Amüsement sei angebracht, just bei diesem Worte, vielleicht ein Mückenspray von Vorteil. Und der feste Glaube daran, daß so ein
Mückenkrieg
gewonnen wird. Den besten Stand haben natürlich diejenigen unter meiner Leserschaft, die der Mücke und ihren Stichen etwas abgewinnen können, denn dann ist es eigentlich völlig schnuppe, ob der Mensch seinen Mückenkrieg bewerkstelligt bekommt oder nicht.
Da wünscht man meinerseits doch fast schon einen schönen Sommer, aber eben nur fast, wir sind noch nicht am Ende …